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Das Archiv beider Richtungen hat sich in der aktuellen Kunstsituation eine ökologische Nische geschaffen, in der zwischen Kunstproduktion, Inszenierung und Publikation laviert wird. Aufmerksamkeit fordernd, zeigt sich die Arbeit jedoch nie als spektakuläres Ereignis, das mit Sensationen oder Überrumpelungen aufwartet. Eher ist es die Strategie des Understatements, die die Präsentation auszeichnet. Oft entsteht der Eindruck, als ob die Arbeiten sich im Spannungsfeld von Beachtung und Nicht-Beachtung ansiedeln. Die Idee eines "interesselosen Wohlgefallens" kommt ins Spiel, jedoch nicht im emphatischen Sinne einer autonomen Kunst, sondern im Sinne einer Annäherung der Kunst ans alltäglich Schöne. Weder existentielle Dramen noch Kunst als ein Fokus für neue, zuvor ungekannte Erkenntnisse kommt ins Spiel, sondern die Wirkung eines Dazwischen, das durch Arrangements auf den Fundus von Form- und Objektsprachen rekurriert.

Indem der Künstler sich vor allem als Arrangeur versteht, bezieht er sich auf eine Ästhetik des Zeigens, die den traditionellen Begriff der Kreativität weitgehend zurücknimmt. Das hat im 20. Jahrhundert natürlich seine Tradition und kann als ein durchgehender Gedanke für die Kunst der Epoche ausgemacht werden. Als Marcel Duchamp als erster den simplen Alltagsgegenstand in den Kunstkontext integrierte, geschah dies jedoch noch unter dem Aspekt einer provokativen Ausweitung des bestehenden Kunstbegriffs. Auch wenn er seine Haltung als "ästhetische Gleichgültigkeit" und als "Anästhesie des guten Geschmacks" bezeichnete, war dies doch mit dem Blick auf ein Schockmoment verbunden. Die Ready-mades sind - trotz ihrer Banalität - exklusive Setzungen, die Duchamp durch eine Vielzahl von Manipulationen - vor allem durch Titel, Plazierungen und Veränderungen - zugleich zu enigmatischen Gebilden verfremdete. Selbst der "laschentrockner", der durch die kunsthistorische Literatur als "reines Ready-made" geistert, besaß in seiner ursprünglichen Fassung an seinem unteren Ring eine längere Aufschrift, die Duchamp, wie er später behauptete, "vergaß". Als kontextuelles Phänomen besaß Duchamps Arbeit zugleich den Bezug zum tradierten Kunstbegriff. Erst durch ihn erhielt sie ihre Bedeutung.

Die Geschichte des Zeigens in der Kunst des 20. Jahrhunderts siedelt sich an im Bereich von "Noch-Kunst". Warhols "all is pretty" war eine der Möglichkeiten, diesen Bereich auszuweiten. Doch auch bei ihm bleibt das Konzept an die Person des Künstlers, bzw. an die "Factory" gebunden. Will man das dieser Geschichte eingeschriebene Thema allgemein erfassen, so kommt man auf einen irritierenden Aspekt: Die Geschichte des Zeigens läßt sich als eine Strategie begreifen, die in immer wieder neuen Anläufen das Verschwinden der Kunst anvisiert. Kunst wird dabei, zumindest in ihren traditionellen Ausprägungen, die den modernen Kunstbegriff bestimmen, als Last empfunden, als eine Form der Verfehlung. Im Zeigen und Arrangieren werden ihre Parameter verschoben. Das Kunstlose wird ins Blickfeld gerückt und als eigenständiger Wert geadelt. Dies geschieht durch eine kontextuelle Einbindung, die als Prozeß einer Umdeutung der Selbstverständlichkeiten des Kunstbegriffs zu verstehen ist.

Darin kann man einen Affront gegen den Autonomiebegriff sehen, der die westliche Kunst zunehmend bestimmt. Durch "die Kunst als Kunst" hindurchgegangen, nähert sich die Ästhetik des Zeigens einer Einfügung in den Alltag, der durch sie neu formuliert wird. In Umrissen deutet sich an, daß dies auf ein Gedanken- und Erfahrungskonzept hinzielen muß, das sich gleichsam oberhalb von "Kunst" (im tradierten Sinne) und "Alltag" (in konventioneller Bedeutung) abzielen muß. Will man Vergleiche ziehen, so kann man in die europäische Geschichte zurückgreifen, als im 16. Jahrhundert in den Raritäten- und Wunderkammern Steine, Straußeneier und bizarre Naturformen gleichberechtigt neben Gemälden großer Meister gezeigt wurden. Oder man kann auf die Ästhetik des Zen hinweisen, in der die Teetasse denselben ästhetischen Stellenwert einnimmt wie das von Künstlerhand geschaffene Rollbild der Tokonoma-Nische.

Auffallend ist mit dem Blick auf heutige Manifestationen der Ästhetik des Zeigens - und dies gilt auch für ABR, daß die programmatischen Versuche der Verbindung von "Kunst und Alltag", wie sie etwa im 20. Jahrhundert das Bauhaus forderte, kaum weitergeführt werden. Der Eindruck entsteht, als ob die angestrebten Transformationen gleichsam "von unten" entstehen sollen, durch ein Handeln, das sich nicht auf eine mehr oder minder geschlossene Meta-Theorie bezieht. Die Bedeutung der Ästhetik des Zeigens wird dabei der Verantwortung des Betrachters übereignet. Damit setzt sich eine solche Kunst einer problematischen Situation aus. Sie steht in der Gefahr, sich in aparten Einzelmomenten zu verzetteln, die ihre Bezüge zu "Kunst" und "Alltag" verschwinden lassen. Um dies zu unterlaufen hat ABR eine Vielzahl von Texten veröffentlicht, die kryptisch und assoziativ den konzeptuellen Rahmen ihrer Arbeit abstecken. Sie sind Bestandteil eines Werkes, das sich in zwei Formen manifestiert: Sehen und Lesen.

Wolfgang Max Faust, unveröffentlichtes Manuskript, 1988

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Die Ordnung der Dinge

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